Philipp Amthor wünscht sich eine „Leitkultur“-Debatte und da kann man sich fragen, ob das angesichts der aktuellen Nachrichtenlage wirklich unser drängendstes Problem ist und auch, wie viel Kilo Ohropax man sich eigentlich in den Gehörgang stopfen muss um so Philipp-Amthor-mäßig den Schuss nicht zu hören. Aber bitte, kann er haben, ich hab das mal kurz zusammengefasst:
Deutsche Leitkultur für Dummies
Im Grunde sind wir Deutschen ein Volk wie jedes andere. Wir lieben das, was Menschen eben lieben: Familie, Freunde, Bausparverträge.
Wir arbeiten vormittags in der Autoindustrie und nachmittags am Stahlofen. In unserer Freizeit packen wir dann gerne wahllos Dinge in Kartons und verschicken sie in alle Welt. Das ist sehr aufwändig und auch sehr kostspielig, aber man wird halt nicht umsonst Exportweltmeister.
Ein Mal im Jahr machen wir Urlaub, denn ab und zu müssen wir einfach raus unserer gewohnten Umgebung – ein Bedürfnis, das man besser versteht, wenn man schon mal in Leverkusen war.
Bei der Wahl unserer Urlaubsziele kommt es uns eigentlich nur darauf an, dass die drei großen „S“ vorhanden sind: Sonne, Sangria und Sky-Anschluss.
Entgegen anderslautenden Gerüchten ist uns Deutschen auch die Ernährung sehr wichtig. Wir beginnen den Tag traditionell mit einem Müsli aus Sauerkraut und Brottrunk. Mittags essen wir nur was kleines Schnelles, zum Beispiel eine halbe Sau mit Knödeln oder ein Spanferkel auf die Hand. Leichte Kost eben, weil sonst die Lederhose so spannt.
Abends gönnen wir uns dann einen Eintopf, das ist noch eine Tradition der Trümmerfrauen. Eine ordentliche deutsche Hausfrau kann auch auch heute noch jederzeit aus einem Stein und einem Stück Zeitungspapier eine Gemüsesuppe zaubern.
Sex haben wir eher selten, der Deutsche an sich vermehrt sich nicht so gern – vielleicht die einzige deutsche Eigenschaft, die von den übrigen Völkern Europas durchweg positiv aufgenommen wird. Aber wir brauchen ja auch keine Kinder, wir haben schließlich etwas viel Besseres: Autos. Welches Kind trägt einen schon mit 230 Sachen über die Autobahn oder lässt sich ohne Gequengel samstags waschen? Außerdem kriegen die meisten Kinder noch nicht mal eine ordentliche Lichthupe hin.
Sollten wir aber doch mal aus Versehen Kinder zeugen, dann tun wir das gemäß der deutschen Industrienorm für ergebnisorientierten Geschlechtsverkehr: Kein Vorspiel, kein Nachspiel und dazwischen auch nur das Allernötigste.
Unser Verzicht auf Sex bedeutet jedoch nicht, dass es in deutschen Beziehungen langweilig zugeht. Im Gegenteil, ein deutsches Paar findet immer eine schöne Beschäftigung. Und so sitzen wir oft gemeinsam in unserem solide finanzierten Niedrig-Energiehaus, erdbebensicher gebaut aus Helgoländer Sandstein und Deutschem Schwarzbrot, legen die Adiletten hoch und machen uns einen romantischen Abend mit allem was dazugehört: Müll sortieren, einen Verein gründen, übers Tempolimit schimpfen, gemeinsam riestern oder sich darüber aufregen, warum Tofuwürstchen denn wie Würstchen aussehen müssen.
Und wenn es dann aufs Ende zugeht mit uns Deutschen, dann nehmen wir ganz still ein Badetuch, schleichen uns auf den Friedhof und reservieren schon mal ein sonniges Plätzchen. Natürlich nicht, ohne vorher noch ein paar satzungswidrige Grabbepflanzungen beim Friedhofswärter anzuzeigen.
Sie sehen, im Grunde sind die Deutschen auch nicht anders, als andere Völker in Europa. Im Grunde wollen wir doch alle dasselbe: Wir wollen in Frieden und Wohlstand leben – und ab und zu wegen eines Satirebeitrags vor öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten demonstrieren.