Ich glaube, es gibt keine Diskussion, die mich auch nur annähernd so langweilt, wie die darüber, was man heute „noch sagen darf“ und was nicht. Vermutlich, weil sie immer gleich abläuft: Wir beschweren uns, dass man heute nichts mehr sagen darf, um dann ungefähr drei Stunden nichts anderes zu tun, als das zu sagen, was man nicht mehr sagen darf, ohne zu merken, dass man anscheinend schon noch sagen darf, wovon wir behaupten, dass man es nicht mehr sagen darf.
Ja, das sind schlimme Zeiten der Zensur, in denen wir gerade leben!
Der mdr hat kürzlich in der Ankündigung einer Radiosendung gefragt: „Darf man heute noch Neger sagen?“. Seufz. Man könnte ja auch mal anders fragen: Macht es irgendjemandes Leben schöner, wenn er „Neger“ sagen darf? Nein. Fühlen sich andere dadurch verletzt? Ja.
Mein Gott, dann lasst es halt einfach! Aber das wäre vermutlich zu einfach.
Oder: Du willst Witze über Schwule machen? Ja Himmel, dann mach doch Witze über Schwule. Aber langweil mich nicht mit endlosen Ausführungen darüber, dass man ja heute keine Witze mehr über Schwule machen darf. Mach sie doch! Ich hab nur eine Bitte: Wär schön, wenn sie originell wären. Und, das als kleine Hilfestellung: „Nasal sprechen und irgendwas zum Themengebiet Analverkehr“ ist halt nicht der Gipfel der Originalität.
Aber selbst unoriginelle Witze darf man machen. Der Himmel weiß, ich habe selbst schon genug davon gemacht. Man muss halt nur damit leben können, dass das andere Leute dann unlustig, abgeschmackt oder einfach dumm finden.
Oder: Was ist eigentlich schlimm daran, wenn man „Mohrenkopf“ sagt? Ja, weiß ich nicht. Andererseits, wie würde es jemand wie Erika Steinbach denn finden, wenn in einem Supermarkt eine weiße, runde Süßigkeit stünde, die dann „Steinbach-Schädel“ hieße? Cool, Frau Steinbach, oder nicht so cool?
Oder, gestern bei Maischberger: Thema Zigeunerschnitzel. Ist es schlimm, „Zigeunerschnitzel“ zu sagen? Vermutlich nicht. Nur – wer will denn überhaupt „Zigeunerschnitzel“ sagen? Außer Peter Hahne? Ich habe den Verdacht, dass die Anzahl der Leute, die unbedingt „Zigeunerschnitzel“ sagen wollen, in keinem Verhältnis steht zu der Anzahl der Leute, die gerne Zigeunerschnitzel essen. Machen wir’s doch so: Jeder darf völlig ungestört Zigeunerschnitzel sagen, aber nur, wenn er dann auch jedes verdammte Mal ein Zigeunerschnitzel bestellt. Mal gucken, wie schnell die Fleischlappen-mit-Paprika-Tütensoßen-Euphorie dann wieder abebbt.
Überhaupt – das Hahne-Prinzip: Ich will „Zigeunerschnitzel“ sagen dürfen, aber wenn jemand einen Plüschhasen ans Kreuz nagelt, fühle ich mich in meinen religiösen Gefühlen verletzt. Haha, süß! Und relativ symptomatisch für die Denkweise der „Political Correctness-Kritiker“: „Ich will alles sagen können, was ich will und ich will auch, dass alle anderen sagen können was ich will. Aber nur das!“ Oh, ihr scheinheiligen Pupsgesichter, Meinungsfreiheit geht aber irgendwie anders!
Man könnte diese ganze unnötige Diskussion so dermaßen abkürzen, indem man sagen würde: „Stellt euch nicht so an und nehmt einfach ein bisschen Rücksicht aufeinander“. Ich bin kein Historiker, aber meinen Geschichtskenntnissen zufolge kam es noch nie zu einem Krieg, einem Konflikt oder überhaupt irgendwas Schlimmem, weil Menschen zu viel Rücksicht aufeinander genommen haben.
Aber da würden vermutlich die ersten schon wieder mosern und sagen, dass das nichts mit Rücksicht zu tun hat und sie sich einfach unterdrückt fühlen, wenn sie den Eindruck haben, dass sie nicht jedes Wort, das ihnen durch den Kopf stolpert, sofort sagen können. Aber, nie vergessen: Immer, wenn ein weißer, heterosexueller, europäischer Mann sich darüber beklagt, dass er unterdrückt wird, stirbt irgendwo in Afrika eine farbige Dragqueen an einem Lachanfall.