Synapsen-Burnout in Porto
Jetzt mal was ganz anderes: Wie geil ist eigentlich Portugal? Nicht dass ich schon viel davon gesehen hätte, aber allein in Porto könnte ich zwei Wochen verbringen, ohne mich auch nur eine Sekunde zu langweilen.
Wenn man mit dem Rad vom Atlantik drauf zu fährt, bietet sich ein sehr surreales Bild: Die ganze Stadt wirkt, als hätte man einen Haufen Spielzeughäuser an einen Hang geschmissen und dann einfach mal so stehen lassen. Wenn unten was wegrutscht, wird halt oben wieder was drangeworfen. Da ein Türmchen, dort ein Giebel, hier ein Kran, uralte Straßenbahnen tuckern auf schwindelerregenden Brücken – es ist, als würde man durch einen Wes Anderson-Film radeln.
Bevor man in die Innenstadt gelangt, fährt man aber erst noch an den berühmten Portwein-Kellereien am Ufer des Douro vorbei. Und das passt hervorragend: Ich glaube, die Bewohner Portos wollen uns damit sagen: „Komm, trink erst mal nen Schluck, das wird gleich heftig da drüben!“
Und sie haben recht. Wenn man über die Ponte de Dom Luis I. fährt, geht’s zwar erstmal gemächlich los: alle Häuser gekachelt und gefliest, ein paar abgerockte Ecken – als Kölner fühlt man sich sofort zuhause. Dann aber wird’s ziemlich schnell deutlich wilder: Im alten Markt von Bolhão drückt und schiebt es von allen Seiten, runzlige Verkäuferinnen halten dir Meeresfrüchte unter die Nase, die aussehen wie die nächsten Gegenspieler von Jack Sparrow. Am Eingang sitzt ein Drehorgelspieler, der nebenher mit seiner Tochter Schach spielt und den Nymphensittich auf seiner Schulter füttert. Die ganze Stadt riecht nach gebratenen Sardinen und Vanilletörtchen. Touristen mit Christiano Ronaldo-Masken drücken sich an dir vorbei. Du kletterst ständig irgendwelche Treppen nach oben, nur um dann wieder durch mittelalterliche Gassen nach unten zu steigen. Straßenhunde kläffen dich an, Bettler hüpfen dir halb auf den Schoß, Jugendliche springen gegen Geld von der Brücke in den Douro. Und zum Mittagessen gibt’s Francesinha, eine Art Toast mit Steak, Schinken, Speck, Würstchen, Käse und Spiegelei oben drauf – leichte Sommerküche halt! Damit nicht nur dem Kopf, sondern auch dem Magen sämtliche Sicherungen durchbrennen.
Wem dann noch nicht schwindlig ist, der sollte sich die ein oder andere Kirche anschauen. Ich bin ja nicht der allergrößte Fan des Katholizismus, aber in Sachen Inneneinrichtung macht den Katholen einfach keiner was vor. Besonders die 5 Euro für die Igreja de Sao Francisco sind bestens angelegtes Geld: es gibt hier keinen Quadratzentimeter, der nicht vergoldet, verschnörkelt, verziert und mit einer Heiligenfigur gekrönt ist. Du weißt, du schaust zu viel Werbung, wenn dein erster Gedanke ist: „Da kommste ja nicht mal mitm Swiffer ran!“
Auf dem Rückweg macht man, nur zur Sicherheit, noch mal einen Verdauungsstop in einer Kellerei. Dann zurück an den Atlantik. Fahrrad abstellen, gucken. Plötzlich steht man mitten im Nebel und hört das Warngetute der Frachtschiffe. Sieht, wie die Nebelsuppe unscharf ins Wasser übergeht. Und hat automatisch Grönemeyer im Ohr. „Tief im Westen“. So sieht’s da also aus.